Wir freuen uns, die zweite Einzelausstellung des chinesischen Künstlers Shan Fan in der Galerie TOM REICHSTEIN contemporary zu präsentieren. Diese Ausstellung tritt in einen direkten Dialog mit zwei bedeutenden Präsentationen in seinem Heimatland China: der Retrospektive „Shan Fan: 40 Years of Artistry“ im Guangdong Museum of Art in Guangzhou sowie der zweijährigen Ausstellung im M+ Museum in Hongkong, in der monumentale Werke aus der Uli-Sigg-Sammlung gezeigt werden.
Shan Fans Werk entsteht aus einer Spannung, die sein gesamtes künstlerisches Schaffen durchzieht: der Bewegung zwischen Herkunft und Distanz, zwischen tief verinnerlichter Tradition und dem entschlossenen Willen, diese zu hinterfragen, zu öffnen und zu durchbrechen. Als Shan Fan Mitte der 1980er Jahre nach Deutschland kam, löste er sich zunächst radikal von allen Erwartungen, die an einen chinesischen Maler gestellt wurden. Doch dieser Bruch war kein Abschied, sondern – paradoxerweise – die Voraussetzung für eine erneute Form der Nähe.
Seine Bambusmalerei zeigt, wie produktiv und zugleich subversiv diese Rückkehr sein kann. In ihr begegnet die Jahrtausende alte Disziplin der chinesischen Tuschemalerei einer Haltung, die man fast modernistisch nennen könnte: dem Wunsch, kein vertrautes Symbol zu zitieren, sondern es neu zu denken. Shan Fan malt den Bambus nicht als klassisches Sinnbild für Integrität oder spirituelle Ausgeglichenheit – er malt ihn als Struktur, als Rhythmus, als fragile Pflanze. In seinen jüngsten Arbeiten wird dieser Bruch nahezu körperlich spürbar. Der Bambus erscheint nicht als unerschütterliche Form, sondern als vibrierende Linie: verletzlich, gespannt, manchmal fast widerstrebend gegenüber der Hand, die ihn zu fassen sucht.
Diese Neuformulierung ist gleichzeitig eine Geste der Verehrung und der Befreiung. Shan Fan zeigt, dass Tradition nicht dort lebendig bleibt, wo sie in ehrfürchtiger Bewahrung erstarrt, sondern dort, wo sie gebrochen wird – wo man ihr widerspricht, sie beugt, sie riskiert. Seine Malerei ist in diesem Sinne weder ostasiatisch noch westlich, weder ornamental noch abstrakt: Sie befindet sich in einem Zwischenzustand, zwischen Sprachen, zwischen Kulturen, zwischen historischen Schichten der Wahrnehmung.
Unsere Ausstellung vereint eine Auswahl neuer Bambusarbeiten, die diesen aufgeladenen Zwischenraum sichtbar machen: ein Werkkomplex, der aus der Geschichte hervorgeht und zugleich über sie hinausweist.
Der Künstler wird anwesend sein. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Exhibition Views © Marcia Breuer

