AETHER: Von der malerischen Quintessenz.
Großformartige Blumenarrangements bilden den Kern der Ausstellung »Aether«. In Vasen zusammengefasst verweisen die teils auf monumentale Dimensionen skalierten Pflanzen auf die Tradition des Stilllebens und entfernen sich im gleichen Moment vehement von ihr. Denn in seinen jüngsten Werken kehrt Daniel Mohr an einen malerischen Nullpunkt zurück. In einer Befragung der Mittel wie auch des Machens entwickelt er eine Bildsprache, in welcher sich Raum und Sujet nicht länger begegnen, sondern vielmehr miteinander verschmelzen. Sie verweben sich zu einem ätherischen Gebilde, in welchem die Balance von vorne und hinten, Objekt und Umraum ins Wanken gerät. Die destabilisierte Raumordnung gibt den Blick frei auf das Wesentliche: den Äther.
In der griechischen Philosophie wurzelnd bezeichnet der Terminus seit dem 17. Jahrhundert die Idee einer hypothetischen Substanz. Diese, so nahm man an, durchdränge als masseloses fünftes Element den gesamten Raum und sei der Träger von Lichtwellen. Unglücklicherweise ließ sich der Äther nie nachweislich feststellen und wurde letztlich durch die Relativitätstheorie abgelöst. Den Bildern von Daniel Mohr tut dies keinen Abbruch, schließlich unterliegt die Kunst ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten. Der Äther beschreibt hier wie sich das Licht auf den Dingen bricht und zurückgeworfen wird, wie die Perspektive sich dadurch facettenartig auffächert. Er meint eine spezifische Raumvorstellung, oder vielmehr die Vorstellung des atmosphärisch aufgeladenen Zwischenraums. Er bezeichnet das Vibrieren um die abgebildeten Objekte herum, das Flüchtige, nicht Greifbare - letztlich die Quintessenz, die dem Bild seine besondere Wirkung verleiht.
Die Nature Morte präsentieren sich in der Ausstellung entsprechend als Vorwand, um mit der Fokussierung auf eine vordergründig banale Sache die hintergründige Tiefe ihrer Erscheinung zu explorieren. Das Blumenstillleben entpuppt sich als Paradoxon, es bricht mit Klischees und Erwartungen und erfindet sich quasi neu. Damit widerlegt Daniel Mohr in seinen Bildern einmal mehr den zuletzt wiederholt proklamierten Tod der Malerei. Ihm setzt er vitale, auf die Geschichte der Kunst verweisende und formalästhetische Elemente der Malerei von Cézanne, van Gogh oder Matisse spielerisch aufgreifende und sie zu eigenständigen Bildfindungen synthetisierende Werke entgegen. Der Äther steht dabei einmal mehr Pate: Ebenso, wie dessen physikalisches Konzept scheinbar überwunden ist, wird die Frage danach, ob die Malerei überholt ist, in Zeit künstlicher Intelligenz und malender Roboter mit neuer Evidenz gestellt.
Mit der Ausstellung »Aether» gelingt Daniel Mohr, vom Nullpunkt ausgehend, ein Punktspiel: der Künstler ist der Kritik 1:0 voraus. Der durch KI und Co. befeuerten positivistischen Haltung setzt er ein aussagekräftiges Bespiel dynamischer Malerei entgegen, die weit davon entfernt ist sich totsagen zu lassen.
Anne Simone Krüger